Gestern war ich beruflich in Kassel und fuhr am frühen Abend mit dem Zug nach Hause. Mit mir im Abteil saß eine ältere Dame, die ihre Tochter in Deutschland besucht. Sie selber wohnt in Frankreich und so erzählte sie mir, dass sie schon seit dem frühen Morgen unterwegs sei und die Vorteile, nicht über Paris zu fahren („Da stürzt sich doch ständig jemand vor den Zug und sie haben Verspätungen von bis zu 3 Stunden!“), statt dessen sei es ratsamer die Reise in Lyon zu beginnen und dass sie immer über Frankfurt fahre, denn der Kassler Bahnhof sei nicht so schön (hier muss ich ihr zustimmen – das Graue wirkt wenig einladend und spiegelt die Stadt mir ihren vielen wilden Blumenbeeten so gar nicht wider) . So ging es in einem fort. Es war eine sehr unterhaltsame Fahrt.
Irgendwann kam der Schaffner und wollte die Fahrkarten kontrollieren. Brav holte die alte Dame alle ihre Scheine und Ermäßigungen aus der Tasche und überreichte sie dem Mann.
Er: Sie sitzen im falschen Zug.
Sie: Der fährt doch nach Hildesheim.
Er: Ja, aber sie hätten den nicht nehmen dürfen. Sie haben einen Spartarif gebucht und der ist Zuggebunden.
Sie: Das ist doch aber der Zug nach Hildesheim.
Er: Ja, aber sie dürfen den nicht nehmen. Sie dürfen nur in einen anderen Zug außer dem Gebuchten steigen, wenn wir Verspätung haben.
Sie: Dieser Zug hatte doch aber 5 Minuten Verspätung. Deshalb habe ich den in Frankfurt bekommen. Ich kam an, dieser stand aufgrund der Verspätung noch da. Ich bin eingestiegen. Also bin ich doch richtig.
Er: Ich rede aber doch von einer anderen Verspätung.
Sie: Gibt es denn Unterschiede zwischen Verspätungen?
Der Dialog ging noch eine Weile weiter. Irgendwann kam die Ansage, dass wir Hildesheim erreichen und der Schaffner gab resigniert auf. Die Dame blinzelte mir bei der Verabschiedung zu und ich gewann den Eindruck, dass sie diesen Dialog nicht zum ersten Mal führte.