Ich räume gerade mein Bücherregal auf und sortiere die Dinge aus, die ich definitiv nicht noch mal lese. Dabei fiel mir ein Buch meiner Mutter in die Hand. Es heißt „Die Frau“ und ist eine Enzyklopädie (so steht es auf dem Buchumschlag) aus dem Jahre 1969.
Dieses Buch zeigt so richtig das Dilemma, in dem die Frauen in der DDR gesteckt haben. Sie sollten alles in einer Person vereinen: die Werktätige, die Hausfrau, die Mutter, die Köchin, die Schneiderin, die Innenarchitektin usw.
In schematischen Bildern wird gezeigt, wie Frau die Hausarbeit erledigen soll, ohne Rückenbeschwerden zu bekommen, wie sie die Spannkraft bei der Hausarbeit behält, wie sie sich am Arbeitsplatz zu kleiden hat. Und daneben immer wieder auch Bilder von starken Frauen in allen möglichen Arbeitsfeldern.
Es gibt aus dieser Reihe Bücher für Handwerk, Gesundheit, Natur, Körperkultur und Sport, Technik. Aber keinen vergleichbaren Band für Männer.
Ja, die Frauen in der DDR waren emanzipiert und sie waren in der Lage, sich selbst zu versorgen, einen Nagel in die Wand zu bekommen, sie konnten tapezieren und malern, Schränke aufbauen, Kleidung nähen und flicken, hervorragend Kinder versorgen und selbstverständlich die sozialistische Produktion durch ihren Einsatz als Werktätige unterstützen. Aber von der Gleichberechtigung, im wahrsten Sinne des Wortes, waren wir mehr als weit entfernt.
Immer mal wieder kommt in Diskussionen vor, dass die Frauen in der DDR gleichberechtigt waren. Das würde ich nie so unterschreiben. Wir hatten einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt und konnten Berufe ausüben, von denen heute die Frauen träumen. Wir waren finanziell unabhängig von den Partnern, was gegenüber den Frauen in der Bundesrepublik sehr viel war. Aber in den oberen Etagen tummelten sich dann doch wieder mehr Männer als Frauen. Oft lesen wir von der 2. Schicht, die die Frauen zu Hause erwartete.
Ich will das generell nicht über einen Kamm scheren, denn allein die Schichtarbeit verlangte von den Männern ein gewisses Maß an der Beteilung an Haushalt und Kindererziehung. Doch trotz allem waren es die Frauen, die den Laden am Laufen hielten – gerade auch nach der Wende. Nach einem kurzen Innehalten und sich schütteln, waren es die Frauen, die los gezogen sind und sich beruflich umorientierten, um die Familien zu versorgen, während die Männer noch lange jammernd auf dem Sofa saßen.
Jetzt drifte ich schon wieder ab – dabei wollte ich euch doch nur erzählen, dass ich dieses Buch sorgfältig zurück in das Regal gestellt habe. So ein zeithistorisches Werk muss behalten werden.