Heute Morgen bin ich mal wieder S-Bahn gefahren. Ab und zu liebe ich es –vor allem das Mitlesen in den Zeitungen. Mein absoluter Favorit am heutigen Morgen: „Nackt-Amok in Mitte“. Dazu Bilder eines Mannes mit freiem Oberkörper, der an einer Hauswand gelehnt saß. Also wenn das eine Schlagzeile wert ist, dann sollte sich der Journalist nicht auf meinen Büro-Hof verirren – da laufen im Sommer die Männer reihenweise mit nacktem Oberkörper herum. Wie würde dann die Schlagzeile heißen: „Orgie am Ostkreuz“? Der Amoklauf war schnell erklärt: ein Mann hatte LSD genommen und war anschließend der Meinung, Jesus zu sein und wollte wohl wie dieser durch die Stadt schlendern.
Beim Betrachten dieser Zeitungen merkt man, dass die Redakteure und Schreiber des Blattes ihre Hausaufgaben gemacht haben: die Schlagzeile ist das Kernelement bzw. das Herzstück eines Artikels. Schließlich entscheidet sie darüber, ob der Leser einen Beitrag liest oder nicht. Schon beim Lesen der Überschrift bildet man sich als Leser eine Meinung. Da gibt es unterschiedliche Techniken – in dieser heutigen morgendlichen Ausgabe fand ich alle wieder. Gleich auf Seite eins: „Mein Sohn hat seine Oma erstochen – Ein Berliner Vater über das verpfuschte Leben eines 15-Jährigen Sohnes“. Mal ehrlich: will man das denn am frühen Morgen lesen? Warum geht nicht mal dies: „Enkel überrascht Oma mit Spontanbesuch – Ein Berliner Vater über das fröhliche Treiben einer Großfamilie.“ Da finge doch der Tag gleich viel optimistischer an und man würde sich vielleicht überlegen, dass man die eigenen Familie lange nicht mehr besucht hat und schon sagt man alle Nachmittagstermine ab und steht bei der Familie oder bei Freunden zum Kaffee vor der Tür und diese sind so gerührt und erfreut, dass sie ihren Tagesärger vergessen, weshalb der Blutdruck unten bleibt und vielleicht ja ein anstehender Herzinfarkt verhindert werden konnte. Oder dies: „Mann macht langjähriger Arbeitskollegin einen Heiratsantrag“ – und schon gehen die Menschen zu ihrem Arbeitsplatz und schauen sich ihr Gegenüber genauer an. Man lächelt sich zu, redet ein paar nette Worte miteinander, erkundigt sich nach dem Befinden – und schon ist der Arbeitstag nicht mehr ganz so trist und bekommt einen neuen Reiz.
Ich bin unbedingt für positivere Schlagzeilen!