Mit der Freundin kam ich neulich auf das Thema „Altersmilde“. Werden wir im Alter gelassener?
Rein wissenschaftlich gesehen, lässt sich diese Frage sofort mit „Ja“ beantworten. Die Produktion von Testosteron, welches für unseren Aggressionstrieb verantwortlich ist, nimmt mit zunehmendem Alter ab. Dinge, die mich bei meinen Teenagern noch in Rage versetzten, werde ich bei zukünftigen Enkeln vielleicht milde belächeln. Von daher – ja, mit den Jahren werden wir in der Tat milder, verständnisvoller, ausgeglichener, toleranter, nachsichtiger. Sagt die Theorie. Und wie sieht es in der Praxis aus? Werden wir ab einem bestimmten Alter wirklich milder?
Die Freundin sagte, dass sie keine Grundsatzdiskussionen mehr führen möchte, dass ihr Bedürfnis, Menschen die Welt zu erklären, nachgelassen hat. Das Feld überlässt sie gern jüngeren Leuten. Seit unserem Gespräch habe ich angefangen, mich in bestimmten Situationen selbst zu beobachten. Nehmen wir nur mal das tägliche Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Viele Dinge regen mich nicht mehr auf – eine Frau, die in die S-Bahn einsteigt und nach dem Eintreten unvermittelt stehen bleibt, schiebe ich sanft vorwärts. Der Mann, der breitbeinig da sitzt und so 2 weitere Plätze neben sich blockiert, wird mit Hilfe meines Knies daran erinnert, dass auch andere Fahrgäste Raum benötigen. Und immer lächele ich dabei.
Und ja, bestimmte Dinge muss ich mir nicht mehr beweisen – ich weiß einfach, dass ich es könnte.
Klar, hat das auch etwas mit gemachten Erfahrungen zu tun. Der Kopf will nicht mehr immer durch die Wand – ich stoppe vorher kurz ab und versuche, das Hirn einzuschalten.
Aber es gibt dann eben auch die Momente, wo einem die Geduld fehlt, wo man genervt ist von bestimmten Dingen und wütend. Dann will man eben nicht zum gefühlten 100. Mal seine Meinung vertreten, dann haut man seine Meinung raus und ist an Gegenargumenten nicht interessiert. Basta!
Meine Oma sagte mir mal, dass man im Alter entweder eine Kuh wird oder eine Ziege.