Ich sitze im Zug und muss auf die Toilette.
Kein Problem – jeder Zug verfügt über solche. Also mache ich mich auf den Weg dorthin. Von weitem schon sehe ich es verdächtig rot blinken. Tatsächlich: „Toilette außer Betrieb“ ist dort zu lesen. Alles nicht schlimm. In solch einem Zug wird es doch mehr als eine Toilette geben. Ich gehe in die andere Richtung – nur endet dort der Zug. Auf meine freundliche Nachfrage beim Servicepersonal bekomme ich zur Antwort, dass dieser Zug nur über eben jene defekte Toilette verfüge.
Wie! Nur eine Toilette?! Ich schaue auf die Uhr: noch 40 Minuten bis zu meiner Ausstiegstelle. Ablenkung muss her! Ein Buch. In meiner Tasche ist ein Buch. Hat die Freundin empfohlen, soll toll sein. Ich beginne zu lesen. Plötzlich geht mir durch den Kopf, dass die Protagonisten in Büchern nie ein solches Bedürfnis verspüren. Und da war er wieder: der Druck der immer größer wurde. Tief ein- und ausatmen. Musik! Ja, Musik hören ist gut. Wenn es nicht gerade die Wassermusik ist, eine ideale Ablenkung.
Noch 20 min bis zur Endstation. Musik ist super, mein Bein fängt an zu wippen, mein Kopf lässt los. Na, geht doch!
Zu mir setzt sich eine junge Frau. Sie öffnet ihren Rucksack und holt eine große Colaflasche hervor. Nein, das kann doch jetzt nicht ihr Ernst sein. Steck die Flasche weg, los, setzt Dich woanders hin, wenn Du trinken willst. Hier ist gerade Notfallgebiet.
All meine Gedanken helfen nichts: mit einem lauten zischen öffnet sie die Flasche. Sie setzt an und trinkt und trinkt und trinkt. Mein Bedürfnis wird mit jedem Schluck dringender. Und noch 10 Minuten. 10 lange, druckvolle Minuten.
Ich krame einen Euro aus der Tasche – so viel kostet die Benutzung des WCs am Bahnhof. In Gedanken gehe ich den Weg schon mal ab. Ich platziere mich am Eingang und endlich, endlich fährt der Zug in den Bahnhof ein. Jetzt nichts wie los!